Die Ariola Star-Club Aufnahmen
Grossband, 92 Seiten in einer Box mit 4 CDs (97 Titel, 258 Minuten) plus Poster
- von Bear Family Records
Besprechung von Dieter Löckener
Nicht alles, was im Musikgeschäft gern mit Kult betitelt wird, wird diesem Anspruch auch nur annähernd gerecht. Beim geschichtsträchtigen Hamburger Star-Club allerdings und seiner gesamten Bandbreite zwischen Beatles und Rattles ist kein Zweifel gestattet, selbst hölzerne Bühnenstückchen mit Echtheitszertifikat sollen sich in Fankreisen äußerster Beliebtheit erfreuen. Die vergangenen Jahrzehnte hinterlassen mittlerweile ihre ungesunden Spuren auf den Vinylscheiben, die in akzeptabler und relativ knisterfreier Qualität heute fast unbezahlbar geworden sind, vom Beschaffungsproblem auf Plattenbörsen quer durch die Republik mal ganz abgesehen.
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Sowas ist Grund genug für das rührige Hambergener Bear Family-Label sich die alten Originalbänder vorzuknöpfen und in zeitgemäßen Silber (keiner sieht unsere Tränen wegen der fehlenden schwarzen Rillen, immerhin erinnert die Aufmachung der CDs dem geliebten Vinyl)) dem viel zitierten breiten Publikum wieder zugänglich zu machen. Die Entscheidung zu Gunsten der CDs ist leider nachvollziehbar, denn die vom aussterben bedrohten Plattenspieler leiden, traurig aber wahr, im Verhältnis zu den CD-Playern in den Haushalten unter kontinuierlicher Schwindsucht. Immerhin können die Sammler nun ihre teuren Originale für's nächste Jahrtausend schonen, denn die Zeitlosigkeit einer Vielzahl der knapp 100 Songs wird gerade dadurch unterstrichen, dass auch heute noch Coverversionen der alten Hits in modernen Fassungen immer mal wieder für Gesprächsstoff sorgen. Eins dürfte klar sein, derjenige, der knapp 200,00 DM für diese Box berappt, weiß, das er eine geballte Ladung vorzüglichsten Merceybeats erhält. Hoffen wir, dass in den Archiven noch weitere Hochkaräter schlummern, die in nächster Zeit für Fortsetzungen der Star-Club-Pionierarbeit sorgen können.
| Kommen wir zur Box und damit zum deutsch/englisch sprachigen
Begleitbuch, dass mit Manfred Weissleder, dem Eröffner am 13.04.1962 beginnt, sich ausführlich um The Bats, Big Göff
And The Tigers, The Broom Town Band, The Four Renders, The Giants, The Big Six, The Phantom Brothers, The Roadrunners und den
besser bekannten German Bonds sowie King Size Taylor And The Dominos kümmert und natürlich der Hausband The Rattles
etliche Seiten widmet, eine Übersicht zu Singles, EPs und Star-Club LPs rundet die Sache ab. CD 1 (24 Titel, 62 Minuten) widmet sich ausschließlich King Size Taylor und seinen Dominos im Jahre 1964. Im Gegensatz zu den unzähligen Gitarrentruppen arbeiteten sie oft mit kochend heissem Saxophon auch beim Mittelsolo, wodurch sie gerade den immer wieder gecoverten Stücken wie Slippin' And Slidin, Unchain My Heart, Hello Josephine oder Clarabella eine eigene Note verpassen konnten. Enthalten sind die Star-Club Time LP, die Aufnahmen des Splits mit der Bobby Patrick Big Six aus der Liverpool Beat Reihe und Twist Time im Star-Club Hamburg 2.
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CD 2 (23 Titel, 62 Minuten) beginnt mit 19 Stücken der ebenfalls saxophonbetonten Bobby Patrick Big Six, darunter die fehlenden Titel der eben angesprochenen Split-LPs. Im Programm der Band fanden sich etliche bekannte Rock'n'Roll, Shake, Slop, Hully Gully und Twiststücke, wie das damals so schön hieß, darunter auch Fanny Mae, New Orleans und der berühmte Wilhelm Tell Twist. Den Abschluß bilden 2 Singles der Giants und der Berliner Team Beats.
CD 3 (23 Titel, 56 Minuten) faßt eine knappe Stunde lang die LPs Twist Time im Star-Club Hamburg, 1 und Liverpool Beat der fantastischen Rattles mit dem heute immer noch auf Erfolgskurs schwimmenden Achim Reichel, die damals als deutsche Antwort auf die Beatles nicht nur mit vielen Hits glänzten, sich vor allem einen tollen Ruf als erstklassige Liveband in unzähligen Konzerten erspielten. 1964 war noch das Jahr der Coverei, den Rattles hatten es vor allem Chuck Berry's Scheiben angetan, mit Sumbeam At The Sky ist allerdings schon ein Titel aus Reichels Feder dabei.
CD 4 (27 Titel, 78 Minuten) startet mit der kompletten Twist-Time 4, The Roadrunners stark R&
B-lastig, prächtig und mit perlendem Bluespiano das fast fünfminütige Baby You Don't
Have To Go und die Siebenminuten des Klassikers Hoochie Coochie Man. Auch nicht schlecht sind die
Dizzy Miss Lizzy, Farmer John und Sweet Little Rock'n'Roller der Bats aus Hamburg und der rauhe L
ivestoff der Geman Bonds, Four Renders und Phantom Brothers, zur Auflockerung dient der
Forellentwist der Broom Town Band.
© Dieter Löckener
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