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Schnipsel

Die mit dem Delphin schwimmt

Eine Geschichte von Gudrun Anders

Delphine faszinieren den Menschen schon seit langem und seit einigen Jahren häufen sich die Berichte über Heilung und Therapie mit Delphinen, die überall auf der Welt immer bekannter und beliebter werden. An der Küste von Sinai (Ägypten) findet sich seit über 8 Jahren ein zutraulicher, weiblicher Delphin ein, um dort täglich mit Einheimischen und Gästen aus allen Ländern der Welt gemeinsam zu schwimmen. Die Einheimischen betrachten die wohlgesonnene Delphindame Ollin als ein Geschenk Allahs und kümmern sich freundschaftlich und liebevoll um sie. Die Autorin war in Sinai und hat mit den Beduinen und dem Delphin Ollin spirituelle Erfahrungen gemacht.


Seit ich denken kann, sind Delphine meine Lieblingstiere gewesen. Als kleines Kind schon wollte ich mit meinen Eltern jeden Sommer immer wieder in das nahe gelegene Delphinarium, um die Kunststückchen dieser schönen Tiere bewundern zu können. Aber eigentlich ging es für mich schon damals nicht um die Kunststückchen, sondern um eine merkwürdige, nicht erklärbare Faszination, die diese Tiere für mich ausstrahlen. In ihrem Blick ist so etwas beruhigendes, etwas besonnenes, wissendes. Und das Lächeln auf ihrem Gesicht stirbt nie.....

Vor einigen Jahren hörte ich dann zum ersten Mal davon, daß man auch mit Delphinen schwimmen kann. Ich registrierte diese Information einfach und da sich sonst in meinem Bekanntenkreis kaum jemand dafür interessierte, packte ich diese Idee ins Hinterstübchen - und vergaß sie dort für viele Jahre.

Eines Tages unterhielt ich mich dann mit einer meiner Klientinnen über das Thema „Delphine" und hatte mit ihr endlich eine Verbündete für mein bis dato noch verstecktes Interesse gefunden. Wir tauschten Bücher, Bilder und verschiedenes Adressmaterial aus und unterhielten uns viel über unseren gemeinsamen Traum, einmal mit einem Delphin um die Wette zu schwimmen.

Einige Wochen später bekam sie dann von einer Organisation eine Informationsmappe zugesandt und brachte sie zur nächsten Behandlung mit. Neben vielen Buchangeboten und einigen informellen Berichten über Beobachtungen und den neuesten Forschungen mit Delphinen war darin auch ein kleiner Flyer enthalten, in dem ein Mann aus England mit wenigen Worten eine Reise nach Sinai ankündigte, um dort mit einem wilden Delphin schwimmen zu können. „Südlich von Jerusalem, östlich von Kairo und nördlich von Mekka gibt es einen Lehrer, der noch nie ein Wort gesprochen hat. Sie kommuniziert mit mystischer Liebe und fragt nach keiner Gegenleistung. Viele, die in ihrer Gegenwart waren, sind zutiefst berührt von diesem Erlebnis..." Darauf folgte nur eine kurze Beschreibung der Reise mit einer Telefonnummer, um nähere Auskünfte zu erhalten.

Für uns beide gab es eigentlich keine weiteren Fragen mehr zu klären und wir meldeten uns bereits im Februar für eine Reise im Oktober an. Fortan zählten wir erst die Monate, dann die Wochen und endlich, endlich die Tage, bis es losgehen sollte. Nach einem etwa vierstündigen Flug nach Sharm el Sheikh in Sinai kamen wir spät abends dort an, wurden von unserem Reiseleiter gleich stürmisch umarmt, herzlich willkommen geheißen und in zweistündiger Fahrt durch die für uns immer noch heiße Wüste zu unserem Bestimmungsort gefahren.

Wir hatten in all den vergangenen Monaten viele Vermutungen und Mutmaßungen darüber angestellt, wie es wohl sein würde, aber für uns komfortgewohnte Europäer war der erste mitternächtliche Eindruck dennoch ziemlich niederschmetternd. Das kleine „Haus", in dem wir die nun kommende Woche verbringen sollten, wäre von deutschen Behörden sicherlich polizeilich verriegelt worden und in dem nicht verschließbaren, allgemein zugänglichen Klo schwamm die Scheiße an der Oberfläche, weil die Spülung nicht funktionierte und der daneben abgestellte Wassereimer wohl schon seit längerem leer und nicht nachgefüllt worden war.

In unseren kleinen Bambushütten war es stickig warm und so schliefen wir murrend auf uralten, zerschlissenen Matratzen unter freiem Himmel - gespannt auf den nächsten Tag, an dem wir Ollin endlich persönlich treffen sollten - ein.

Am nächsten Morgen wurden wir schon bei Sonnenaufgang wach und besahen uns dieses wundervolle Schauspiel der langsam über den arabischen Bergen aufsteigenden Sonne von unserem „Bett" aus, aber von der Delphindame Ollin war noch nichts zu sehen. „Kein Angst, sie kommt schon noch !" wurden wir von unserem Reiseleiter beruhigt und so stärkten wir uns erst einmal mit einem kleinen Frühstück.

Und während wir noch unseren Eierkuchen mit Banane vertilgten, tauchte plötzlich eine kleine, graue Flosse aus dem Wasser auf - Ollin war da ! Sie schaute uns an, keine 40 m von uns entfernt, tauchte kurz weg und steckte dann keck ihren Kopf wieder aus dem Wasser heraus, so, als wolle sie beobachten, was dort an Land vor sich geht.

„Ich glaube, sie ruft euch," meinte Edgar, unser Reiseleiter, mit einem Grinsen im Gesicht - und selbst mein sonst so heißgeliebtes Frühstück hielt mich jetzt nicht mehr zurück, sofort in die nassen Fluten zu tauchen, um meine erste Runde mit Ollin, dem wilden Delphin, zu schwimmen.

Ich schnappte mir also meine Maske und meine Flossen und machte mich auf, um Ollin im Wasser zu suchen. Aber ich brauchte nicht lange zu suchen, denn nur nach wenigen Augenblicken schwamm sie plötzlich direkt unter mir, so daß ich zunächst ein wenig erschrocken war, denn so ein Delphin hat doch schon eine imponierende Größe, wenn er plötzlich unter einem wegtaucht. Offenbar war die kleine, große Delphindame froh, daß endlich jemand mit ihr die Runden drehte, denn es schien so, als wenn sie Spaß daran hatte, mit mir zu schwimmen.

Wir drehten einige Kreise im Wasser und irgendwie fühlte ich mich beobachtet. Nein, das ist nicht ganz richtig, denn „beobachtet" hat so einen negativen Beigeschmack, den es hier aber nicht gab. Ich fühlte mich gleichsam akzeptiert und taxiert, mit wohlwollender, respektvoller Aufmerksamkeit von der Delphindame Ollin bedacht. Ein wenig abwartend vielleicht noch und doch schon seltsam vertraut.

Nach einer Stunde und einigen gepaddelten Kilometern mußte ich mich langsam wieder von Ollin lösen, denn langsam wurde mir kalt, ich war aber sprachlos über das Geschehen und gleichzeitig aufgedreht von meinem ersten Erlebnis mit ihr, denn schließlich war für mich ein jahrelang gehegter Traum nun doch endlich greifbare Wirklichkeit geworden. Und das mußte ich erst einmal verdauen und meine aufgewühlten Gefühle jemandem mitteilen.

Nach und nach kamen einige Menschen mehr an die kleine, verträumte Bucht und schwammen ihre Runden mit Ollin, dem wilden Delphin, der seit nunmehr über 4 ½ Jahren tagtäglich an diese Bucht kommt, um hier mit und bei den Menschen zu sein. Den ganzen Tag über hörten wir Berichte von spirituellen Erlebnissen und Erfahrungen mit ihr, Geschichten von Herz zu Herz, die auch uns oft zu Tränen rührten.

So berichtete eine junge Frau aus England, die schon einige Zeit hier weilte, daß sie nie zuvor einem im grunde genommen wildem Tier so nahe gewesen sei und diese Begegnung zu denken gäbe, ob wir Menschen nicht allgemein mit Tieren eine wesentlich tiefere Verbindung herstellen könnten. Ein anderer junger Mann aus Israel wollte sich bemühen, im täglichen Leben bewußter mit sich und seiner Umwelt umzugehen, denn er hatte das Gefühl, als wenn Ollin manifestiertes, bewußtes Sein ist.

Die nächsten Tage verbrachte ich mit beobachten und schwimmen, es war für mich ein langsames herantasten an meine neue Freundin, die mich mit dem Element Wasser noch vertrauter machte und die ich eigentlich schon in mein Herz geschlossen hatte, lange bevor ich sie richtig kannte.

Am dritten Tag waren wir mit Ollin und den Einheimischen schon sehr vertraut und Mohammed, ein taubstummer Beduine, der einer der ersten war, der mit Ollin geschwommen ist, nahm mich an die Hand und bedeutete mir mit seiner Zeichensprache, daß er mit mir schwimmen gehen wollte. Aus meinen Beobachtungen der letzten Tage wußte ich schon, daß die Einheimischen mit Ollin sehr vertraut waren, aber das, was jetzt geschah übertraf alle meine bisherigen Vorstellungen und Erwartungen.

Wie schon so oft wollte ich Ollin einfach hinterher schwimmen, aber Mohammed hielt mich zurück und bedeutete mir, zu warten. Wir waren nur einige wenige Meter von der Küste entfernt und Ollin ganz offensichtlich mit einigen anderen Menschen weit draußen am anderen Ende der Bucht beschäftigt. Was wollte er nur von mir ? Ich dachte, wir wollten gemeinsam zu Ollin schwimmen ?

Unter Wasser machte der taubstumme Mohammed einige Laute, die sich wie ein fast stummer Schrei anhörten. Er stieß diese Laute immer aus, wenn er auf sich aufmerksam machen wollte. Und so tat er es jetzt auch unter Wasser.

Und es dauerte keine 15 Sekunden und Ollin kam mit rasanter Geschwindigkeit auf uns zu. Mohammed paddelte senkrecht im Wasser und Ollin stellte sich ihm gegenüber und ließ sich von ihm ganz genüßlich auf dem Bauch kraulen. Ich mußte lachen, denn es erinnerte mich an meinen kleinen Hund, der sich immer auf den Rücken drehte, um die Streicheleinheiten von mir noch besser genießen zu können.

Dann nahm Mohammed meine Hand, zog mich dichter zu Ollin heran und legte sie auf ihren Bauch und ich streichelte Ollin zum ersten Mal, berührte ihre fast lederartige, weiche Haut und war sprachlos über dieses unendliche Vertrauen, daß dieser freilebende Delphin mir in diesem Augenblick schenkte. Und eine Träne vereinte sich in meiner Maske mit dem salzigen Wasser des Meeres. Mohammed ging nach einer Weile, ich aber blieb noch etwas im Wasser, um ein wenig mehr über die bedingungslose Liebe zu erfahren, die dieser Delphin uns Menschen so freigiebig schenkte.

Am nächsten Tag nahm mich ein anderer Einheimischer, der ebenfalls mit Ollin sehr vertraut war, an die Hand und ging mit mir schwimmen. Auch er rief Ollin unter Wasser und es dauerte nur wenige Momente, bis sie sich zu ihm gesellte. Er tauchte mit ihr, spielte mit ihr unter Wasser, stellte sich unter Wasser tot und wurde von Ollin sanft angestubst und zur Wasseroberfläche zurück begleitet. Gemeinsam schwammen sie Bauch an Bauch unter Wasser, wie ein verliebtes Paar, das zärtlich miteinander flirtet.

Und wenn ich als Kind oft die Sendung „Flipper" gesehen und bewundert hatte, was dieser Delphin alles bewerkstelligen konnte, so war dieses Schauspiel hier, das sich direkt vor meinen eigenen Augen zutrug doch tausend Mal faszinierender. In vielen Haushalten - so, wie auch in meinem - gibt es große und kleine Haustiere, die eng mit ihren Herrchen und Frauchen verbunden sind - aber wer hat schon einen Delphin als „Haustier", der so zutraulich und wohlgesonnen ist, wie Ollin ?

Etwas später wollte ich einmal ein wenig weiter hinaus schwimmen. Von unserem „Haus" aus konnten wir die Grenze des Riffs sehen. Ich wollte dort hin, wo das Wasser tiefer und dunkler wurde und nachschauen, ob es hier Korallenriffs gab. Ich kümmerte mich dieses Mal gar nicht um Ollin und die im Wasser paddelnden Menschen und steuerte geradewegs aufs offene Meer hinaus. Fast am Ende des Riffs angelangt, überkam mich jedoch eine plötzliche Panik. Was, wenn hier Haie waren ? Der „weiße Hai" hatte mir schon vor Jahren ziemlich viel Angst gemacht und alle anderen Menschen waren ziemlich weit weg und im Zweifelsfalle nicht mehr erreichbar....

Ollin, schoß es mir durch den Kopf - ob sie mir helfen würde ? Und als hätte ich sie magnetisch oder vielleicht telepatisch zu mir hin gezogen, tauchte Ollin plötzlich in greifbarer Nähe rechts von mir auf. Sie schwamm dann für einen Moment direkt unter mir, so, wie sie es schon viele Male zuvor getan hatte, drehte dann ab in Richtung Land, wartete und sah mich an, gerade so, als ob sie mir zu verstehen geben wollte, daß sie zwar auf mich Acht gibt, es aber besser für mich wäre, jetzt wieder an Land zu schwimmen. Sie wartete, bis ich mich in Bewegung setzte und schwamm dann wieder zügig zu der Schwimmergruppe in der Nähe der Küste.

War etwas dran an den Berichten, daß Delphine telepatisch mit den Menschen in Kontakt treten konnten? Waren sie so hoch sensibel, daß sie stets wußten, was vor sich geht? War Ollin hier in dieser Bucht der Beschützer der Menschen, die hier schwimmen wollten? Was trieb eigentlich diesen Delphin dazu, tagtäglich hier her zu kommen, gerade so, als würde sie wie jeder Europäer hier zur Arbeit gehen ? Ich hatte viele Fragen in meinem Kopf, aber nur wenige Antworten. Dafür war ich von dieser Begegnung so tief berührt, daß es mir schwer fiel, mich an diesem Tag zu entspannen.

Tags darauf erkrankte auch ich an Durchfall, wie fast alle anderen aus meiner Gruppe zuvor und war nicht mehr in der Lage, mit Ollin schwimmen zu gehen und meine Beziehung zu ihr weiter zu vertiefen oder zu verfestigen. Aber der Durchfall reinigte meinen Körper von altem „Scheiß", von überholten Vorstellungen und Ideen, die ich jetzt gern hinter mir lassen und mich selbst auf eine neue Basis stellen wollte.

Zwei Tage war ich ziemlich krank, bekam Reikibehandlungen und Fußreflexmassagen von Mitgliedern unserer Gruppe, Mohammed brachte mir frisch gepflückte Limonen zu essen und ich sah Ollin von weitem zu, wie sie sich mit einem hohen Sprung aus dem Wasser einen von den Beduinen gefischten Tintenfisch erhaschte. Und ich hatte zwischen meinen reichlichen Stuhlgängen ausreichend Zeit, über meine Lebensphilosophie und -einstellung zu grübeln.

Zuerst war ich traurig und auch ein wenig ärgerlich über mich, die letzten Tage mit Ollin nicht mehr genießen zu können, nach einiger Zeit aber stellte sich eine Dankbarkeit in mir ein, für die Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben.

Ich wusste, sie, Ollin, der wilde Delphin, und die Beduinen in Sinai hatten mir einen etwas anderen Teil dieses lebenswerten Lebens gezeigt, den ich jetzt dankbar entgegen nehmen konnte: die Einfachheit des Seins. Ein Thema, das mich schon viele Jahre während meiner Rebirthingpraxis beschäftigte und das ich in meiner Kompliziertheit wieder einmal irgendwo auf meinem Weg vergessen hatte.

Und ich wusste plötzlich, dass Ollin mein Meister, mein Guru war, der mir gezeigt hatte, was es wirklich bedeutet zu leben. Sie zeigte mir, was spirituelles Leben wirklich ist: da sein, präsent und bewusst sein, den Menschen bedingungslos dienen und geben ohne zu nehmen.

Und ich wusste noch eines: Ollin, ich komme wieder!

 


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