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Platten-, CD- und Konzertkritiken

Die "Jazz Pistols" begeistern im Schongauer Ballenhaus

- ein Konzerteindruck von Werner Friebel
Es grenzt schon an Selbstausbeutung und idealistische Verwegenheit, in einem bairischen Provinzstädtchen inmitten einer Novemberwoche musikalische Haute Cuisine anzubieten, die der Bauer ned kennt. Kein Wunder also, dass die 'Kulturkampfkasse' des veranstaltenden Kulturvereins "lechwärts" bluten musste, als man zu den famosen "Jazz Pistols" ins Schongauer Ballenhaus lud.

Dafür bekamen die drei Dutzend Besucher was garantiert Unprovinzielles auf die Ohren, als Gitarrist Ivan Schäfer, Bassist Christoph Kaiser und Drummer Lui Ludwig ihr bestechend virtuoses Energy-Jazz-Feuerwerk zündeten.
Da war nix von akademischer Verkopfung am werken, sondern furioses Zusammenspiel kraft musikalischer Imagination und fast telepathischem Verständnis. Am stärksten zu spüren in ihren eigenen Stücken wie "Special Treatment" oder "Super Massive Black Hole", die von Ludwigs Heavy Grooves mit punchigen Backbeats angetrieben wurden, von feinziselierten polyrhythmischen Figuren auf Snare und Hihat umtanzt, durch die vertracktesten Rhythmus-Labyrinthe mit einer gefühlvollen Power wie von Elvin Jones oder Cobham getragen.

Der 6-saitige E-Bass ließ von Anfang an ahnen, dass hiermit nicht nur solide Schlepperarbeit avisiert wurde, sondern auch eine das Triokonzept bis an die Grenze ausreizende Tondichte. Mal im Geiste Stanley Clarke's, mal in "Level 42"-Manier balancierte Kaiser königlich auf der Grenze zwischen polyphoner und harmoniedeutender Stimmführung, vom eingebetteten Kontrapunkt über getapptes Akkordspiel zu geslappten Breaks und waghalsigen Soli.
Und dann der Ivan Schäfer: Trotz teilweise aberwitziger Geschwindigkeit seiner "cross" gespielten Scales schimmerten die Melodiebögen der kraftvollen Themenköpfe durch, ja öfter landete er auf ohrenschmeichelnden leitereigenen Zieltönen, oszillierte um das vertraute Zentrum einer Blue Note und immer rotzte der kleine Rocker mit.
Und das den ganzen Abend witzig und spannend, nicht nur wegen der abwechslungsreichen Effekte, sondern auch, weil sie ihm alle Pate standen: McLaughlin, Holdsworth, Satriani, Metheny, Gilmore und der Rest der Götterwelt.
Bis er zur zweiten Zugabe dann doch noch die Akustische auspackte und jazzfolkig-balladesk den Abend mit einer melancholisch-weichen Note abrundete.

Mit dieser Vielfalt an intelligenten Eigenkompositionen und Jazzrock-Klassikern, bravourös gespielt und mit sympathischer Ausstrahlung präsentiert, belegten die "Pistols" nicht nur ihre Zugehörigkeit zur "Crème de la Crème" der europäischen Jazzrock-Fusion, sondern begeisterten auch die vorher eher skeptischen "Nicht-Jazzer" unter den Gästen - davon hätten sie an diesem Abend in der Provinz allerdings ein Vielfaches mehr verdient gehabt.
Denn war es schon verwunderlich, dass von der regionalen Musikszene, die vorgibt, sich ernst zu nehmen, keine Nase zu sehen war, so konnte leider auch die lokale Journaille im Glanz der Abwesenheit ihre kulturelle Kompetenz nicht unter Beweis zu stellen...




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