Schnipsel

zimmertramps

G'schichterl von Jürgen Landt


sie war sehr dick und sie wohnte im selben aufgang, hockte wie der mann am tage: einfach nur zwischen ein paar wänden rum.
war sie deshalb eine nachbarin?
einmal hing an ihrer wohnungstür ein pappschild:

BITTE NICHT STÖREN!
LEGE MIR VERBÄNDE AN!

und ein andermal sprach sie den mann an: "sie sind aber dick geworden! ich kann beim abwaschen immer auf die straße schauen!", stoppte und sprach weiter: "und sie ja nicht, weil sie ja weiter oben wohnen! na ja, herr landt, sie sind aber dick geworden!!"
irgendwie hatte der mann das gefühl, dass die fette nachbarin spinnt, und antwortete: "sicher, das kommt vom zuvielen alkohol und vom zuwenigen ficken!" "puhhh!!" machte die frau und ließ den mann allein zurück.

der mann pulte sich eine dose bier auf, trank einen schluck und begann mit seiner onanie, spritzte irgendwohin ab und betrachtete seinen aufgequollenen bauch, wußte, ein kuss wirkt auf das herz wie 100 meter joggen, wußte, dass 29 muskeln beim küssen beansprucht werden, und besonders der muskel orbicularis oris, der den mund in "O"-stellung hält, doch wo sollte er sich küssen?
selbst an seine biertitten kam er nicht richtig ran.
zwar setzt die nebenniere beim küssen adrenalin frei, die bauchspeicheldrüse insulin, das immunsystem jagt abwehrzellen ins blut, die schadstoffe eliminieren, und ein kuss bringt das herz auf bis zu 150 schläge pro minute.............der mann spürte sein herz rasen, doch er wollte sein wissen nicht wissen und mochte sich alleine nicht schmecken, versuchte erneut zu onanieren, dachte an die fette nachbarin, wie sie sich verbände anlegte, sich pflasterstreifen auf ihre schlappen brustwarzen der kalkigen brüste klebte, sie ihren nackten schwabbelbauch beim waschen ihrer riesenschlüpfer über den badewannenrand hängte.....
es nützte nichts.
der mann steckte sich eine zigarette an, verspürte keine lust mehr auf sein angetrunkenes bier, dachte an die vielen zurückgelassenen nägel in seinen wänden, spürte sich als eine fleischliche kiste, spürte sich hocken in einer fleischlichen kiste, doch fühlte er keinen sinn, um aus dem stand heraus ein material zu produzieren, das ihm das fleischliche hocken abhämmerte.
der mann schaute nochmals auf sich runter. ihm war nicht, als sollte er sich küssen. "vielleicht macht auch ein sich reindrängender irrsinn dick?" unterstützte er seine gedanken.

die nachbarin legte ihre verbände an, pulverte etwas später ihre großen schlüpfer in der badewanne ein. sie war nackt und ihr bauch hing beim bücken über den wannenrand.
"das kann gar nicht sein, dass der kerl nicht fickt! puh, bin ich froh, dass ich dem keine spermaspuren aus den unterhosen waschen muss!"
sie zog ihren bauch zurück über die wanne, ging in die wohnstube, kontrollierte die verbände an ihren beinen, schaltete eine der vielen nachmittags-talk-shows an. die talk-show lief unter dem titel:
"HILFE; MEIN MANN HAT MICH SEIT 20 JAHREN NICHT MEHR GEKÜSST!"
die frau rückte sich auf ihrem sofa zurecht, sah plötzlich das vergessene, an die wohnungstür zu hängende pappschild auf dem couchtisch an, stand widerwillig auf, griff sich das stück pappe und eilte zur tür.

© Jürgen Landt (Greifswald, 2002)


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