Schnipsel

Sandor Márai - "Die Glut"

Eine Besprechung von Werner Friebel

Geben wir's halt zu: Eine Dreiecksbeziehung als Plot, wieviele Dutzend Male auch schon in allen Facetten durchleuchtet, bizzelt immer noch Herz und Hirn. Diesen klassischen Aufhänger nutzt auch Sandor Márai in "Die Glut" als Geste, unsere Leserseelen wohl zu stimmen, um darin desto effektiver den Samen der melancholischen Lebensreflexion keimen zu lassen. Da treffen sich zwei Jugendfreunde nach 41 Jahren als alte Männer wieder, um endlich Wahrheit und Klarheit über eine traumatisierende Liebesepisode zu erlangen.
Die schöne Sie ist längst aus Liebeskummer verstorben, so daß die Weisheiten der Senioren von keinen faunischen Begierden getrübt werden. Die Geschichte beginnt mit einer Rückblende auf die Jugendfreundschaft von Henrik, dem "General", und seinem Intimus Konrad, die gemeinsam Schule und Militärlaufbahn im k.u.k.-Österreich-Ungarn Ende des 19. Jahrhunderts absolvierten.
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Als Abgesandter in Paris verliebt sich Henrik in eine Französin, die ihm gar noch von Konrad vorgestellt wurde, und nimmt sie mit auf sein Schloß in den Karpaten. Die dort etwas Unglückliche geht eine geheime Liebesbeziehung zu Konrad ein und wie immer in solchen Fällen nimmt das Unglück seinen Lauf...
Doch diese Dreicksgeschichte, die von Márai sehr feinsinnig ausgelotet wird und im Sprachduktus an Proust erinnert, ist für den Autor eben nur der Rahmen, um seine Hauptfigur Henrik in einem reflektierenden Monolog über existenzielle Fragen mit unterschiedlichen Zungen sprechen zu lassen. Konrad kommt dabei nur zu wenigen (Ant-)Worten, denn, obwohl als reale Person in die Handlung verwoben, stellt er im literarisch-philosophischen Sinn nur ein Alter Ego von Henrik dar.
Henrik, der doppelt Hintergangene, sieht aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf seine gelebten und verpassten Daseinsmöglichkeiten zurück und durchwandert, auch sprachlich chimärenhaft, die Bewusstseinsebenen von Liebe, Treue, Freundschaft und Lebenssinn.
Und letztlich wird deutlich, dass seine Antriebsfeder (und wohl auch die von Konrad oder jedem anderen Menschen) die Sehnsucht war und ist - eine undefinierbare, imaginäre, aber doch ständig präsente Lebenskraft, die die Schönheit der Träume bewahren will und gleichzeitig die Möglichkeiten zur Veränderung auslotet.

Piper Verlag
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