music
animati.gif specials

Platten-, CD- und Konzertkritiken

MARILLION

– 03.12.1999 Capitol, Hannover

Eine Konzertkritik von Uwe Thiemann

Nach dem Besuch der Radiation-Tour vor einem Jahr im Bielefelder PC 69 stand für mich fest, dass dies das letzte MARILLION-Konzert gewesen war, was ich je besucht hatte. Ein scheinbar orientierungsloser Steve Hogarth (vocals) wankte über die Bühne und versuchte, das damals aktuelle Album sowie ältere Titel dem Publikum näher zu bringen. Aufgrund seiner Verfassung und der scheinbar bei den anderen Herren auf der Bühne auch nicht vorhandenen Spielfreude wurde ein Konzert abgespult, indem der sonst bei MARILLION übliche Funke nicht überspringen wollte.

marill1.jpg

Nun hatte ich also mehrmals in das aktuelle Album der 5 Briten „marillion.com" reingehört und da an diesem Freitagabend nichts besseres anlag, ignorierte ich meinen Vorsatz und fuhr nach Hannover.
Um es vorwegzunehmen, ich war mehr als angenehm überrascht. Schon der Opener des Abends, das vom neuen Album stammende "GO!" überraschte mich und die Zuhörer. Dieses eher ruhigere Stück wurde in der Live-Version wesentlich ausdrucksstärker dargeboten. Mit dem anschließenden "Under The Sun" (der einzige Track, der von dem Vorgängeralbum gespielt wurde) und dem neuen Stück „Rich" wurde der Menge ordentlich eingeheizt.

Ja, das waren die alten MARILLION's, die live schon (fast) immer zu überzeugen wussten. Steve Rothery (guitar), Pete Trewavas (bass), Mark Kelly (keyboard), Ian Mosley (drums) und Steve Hogarth (vocals, piano) spielten so leidenschaftlich und ausdrucksvoll, dass es eine wahre Freude war zuzuhören.
Mal gefühlvoll, mal rockig oder auch bombastisch haben sie es geschafft auf dem vorgestellten Album neuen Stile in ihre Musik mit aufzunehmen. Diese musikalkalische Weiterentwicklung konnte, wie es aus den Zuschauerreaktionen zu entnehmen war auch live voll überzeugen.
Jedoch bleibt es eine Tatsache, dass vor allem Klassiker wie Songs vom 94'er "Brave"-Album (wahrscheinlich das beste MARILLION-Album in der Hogarth-Ära) wie z.B. "Wave", "Mad" und "Opium Den" den Saal zum kochen brachten. So gab es kein Halten mehr, als Rothery die ersten Gitarrenriffs von "Easter" erklingen ließ und die Menge jede einzelne Zeile des Songs textsicher mitsingen konnte. Man sah ihm an wie viel Freude es ihm bereitete "Easter" wieder zu spielen.
Mit der Big-Beat-Mix-Version von "Memory Of Water" gab es auch schon einen Vorgeschmack auf den nach dem Konzert stattfindenden Disco-Betrieb im Capitol (aus zeitlichen Gründen mussten MARILLION ihren Set um den wohl gelungensten Track des neuen Album "Interior Lulu" verkürzen – das Verhalten der Capitol-Crew nach dem Konzert kam, wie man es heute leider immer wieder erleben "darf", schon fast einem Rausschmiss der Konzertbesucher gleich), um sich mit einem überragenden „King" vom Publikum (vorerst) zu verabschieden.
Nach mehrminütigem frenetischem Beifall betraten die Herren die Bühne um noch einmal mit "Brave" und den emotional geladenen "The Great Escape/Falling From The Moon" den Zuschauern noch einmal einen Schauer über den Rücken zu schicken.
Nach einer erneuten kurzen Erholungspause für die Band wurde der Abend mit den Hits der Band aus den 80ern "Kayleigh" und "Lavender", die scheinbar auf keinem MARILLION-Konzert fehlenden dürfen (trotzdem wurde man hiervon in den letzen Jahren verschont) und einem anschließenden "Slainte Mhath" mit Stücken aus der Fish-Ära entlassen.

marill2.jpg
Festzuhalten bleibt, dass MARILLION ihre alte Spielfreude wiederentdeckt haben.
Fraglich ist nur, welcher vermeintlicher ‚lightning engineer' für die Light-Show zuständig war. Hier hatte man den Eindruck, als wenn jemandem zum ersten Male bewegliche Lichter in die Hand gegeben worden sind, die zudem auch noch blitzschnell die Farbe wechselten. Aber auch sein krampfhafter Versuch die Leistung der 5 Musiker durch dieses Lichtgezappel zu torpedieren, konnte ihm angesichts der perfekten musikalischen Show nicht gelingen.
Das ich meinen eingangs erwähnten Vorsatz, nie wieder ein MARILLION-Konzert zu besuchen gebrochen habe, bereue ich jedenfalls nicht. Ich habe mir überlegt, einfach so zu tun, als hätte es eine „Radiation"-Tour im PC 69 in Bielefeld nie gegeben. So kann ich nur sagen, macht weiter so !
Äußerst gespannt kann man deshalb auch auf das im März 2000 zu erwartenden Soloprojekt von Pete Trewavas mit Neil Morse (Spock's Beard), Mike Portnoy (Dream Theater) und Neil Stolt (Flower Kings) unter dem Titel „TransAtlantic" sein.

e-mail an Uwe

Media4ways
Musikmagazin
Kritiken
LitMag "Schnipsel"
Links