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Platten-, CD- und Konzertkritiken

Lucas Niggli & BIG ZOOM

Ein Konzerteindruck von Werner Friebel


Es war ein Insider-Tip: In einer ehemaligen Mühle ausserhalb des Dörfchens Bernbeuren fände ein Privatkonzert mit dem Schweizer Drummer Lucas Niggli & Band statt.
Wie? Der Avantgarde-Shooting-Star, der sich auf so wichtigen europäischen Jazz-Festivals wie Moers, Saalfelden, Münster und anderen herumtreibt, in der schwäbischen Kulturprovinz?
Neugierig geworden ...!

Die kleine Mahltenne aus dem 18. Jahrhundert war auf vier Ebenen, zu denen schmale Holztreppchen und Leitern empor führten, bestuhlt, so dass der Großteil des Publikums von oben auf die im Paterre spielenden Musiker blickte. Wohl hauptsächlich zu deren Schutz waren immerhin Metallgeländer gegen herabfallende Fans an den Plateaus montiert.
Zu Konzertbeginn stopften sich gut 100 Wagemutige darauf, wer jetzt kein Bier hatte, musste bis zur Pause darben.


Top-CD: Lucas Niggli & Zoom

Die fünf im Rund stehenden, rein akustisch arbeitenden Musiker begannen mit einer von Bassklarinette und Posaune getragenen, verhaltenen Klangkollage, in die sich langsam rhythmischer Druck von Kontrabass und Nigglis Percussionbatterie einschlich, die polyphone Stimmführung und die metrischen Überlagerungen begannen Ohr zu fordern. Mit besten Grüßen von John Cage.
Die stringenten kompositorischen Elemente waren mit überraschenden Improvisationsteilen durchsetzt, dirigiert von Mimik und Gestik des treibenden Grooveteufelchens Niggli, der aus seinem Blech-, Fell- und Holzwaren-Equipment mit Sticks, Besen, Ruten, Peitschen, Händen & Füssen die unerhörtesten Klangvariationen destillierte. Mit einem Augenzwinkern von Trilok Gurtru.

In der Pause gabs Brote mit Griebenschmalz oder Kräuterquark, Smalltalk im Garten mit mehr oder weniger kompetenter Fachsimpelei und Biernachschub.

Der zweite Teil des Konzerts sattelte Einen drauf: Die Grooves wurden bauchiger, die Soli frecher, die Athmosphäre kribbliger.
Gitarrist Philipp Schaufelberger erspielte sich mehr Freiräume, die er bis an die Grenzen unseres tonalen Verständnisses feinsinnig ausreizte. Mit einem Kopfnicken von Bill Frisell.
Swingend und bluesend wirbelte Klarinettist Claudio Puntin durch die Scales, Bassist Peter Herbert hatte bei seinen Soli offenbar eine Himmels-Konferenzschaltung mit Jaco Pastorius.
Bisher ungehört die elegante Stimmführung des Posaunisten Nils Wogram. Zwischen bassline und Klarinette war er der sublime Vermittler, hatte es dabei nicht nötig, etwas "herauszuposaunen" und setzte sein Instrument nebst Stimme so lautmalerisch melodiös ein, dass mir dazu kein passender Vergleich einfällt. Albert jedenfalls hätte verschmitzt gelächelt.

Und der Lucas? Der hat das Alles komponiert und arrangiert, ein begnadeter Autodidakt ohne Allüren, der wohl schimpfen wird ob meiner herbeisinnierten Vergleiche, weil die Musik von "BIG ZOOM" ja wirklich ein eigenständiger Ausdruck seiner Inspiration und der gemeinschaftlichen Arbeit daran ist. Die Schubladen Modern Jazz, Neutöner, Neo-Folk und Experimental befreit er von eingemotteter Wäsche und kleidet seinen Sound, wie's ihm Spass macht. Und uns an diesem Konzertabend in der Provinz, wie der begeisterte Applaus und das erfüllte Zugabeverlangen zeigten.

Dem Privatveranstalter Peter Ernst darf man für weitere Konzerte in seiner "Nigglmühle" (ja, ja, die heisst zufällig wirklich so!) ein ebensogutes Auswahl-Gespür wünschen.

Werner Friebel

Lucas Niggli in der Wikipedia

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