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Schnipsel

Der Spielzeugphilosoph

von Petra Zlobinski

Ich habe einen kleinen Spielzeugphilosophen im Schrank. Ein verrückter Onkel hat ihn mir einmal geschenkt, ich weiß schon gar nicht mehr welcher. Ich habe nicht nur einen Onkel von der Sorte. Meine Mutter meint, ich solle lieber mit Puppen spielen. Das bereite mich besser vor auf das, was mich erwarte (und sagt das in einem Ton, als stünde mir gar schreckliches bevor).
Das ist aber nicht der Grund, warum ich ihn gar nicht mehr hervorhole aus dem Schrank. Er funktioniert nicht mehr richtig, schon lange nicht mehr. Er rollt zwar noch gar entzückend mit den Augen, legt die kleine Stirn in Falten, und die Kinnlade klappt auch immer noch herunter, als wolle er jetzt ansetzen zu philosophieren, und trotzdem ...
Beim letzten Mal, als ich ihn meinem Freund Josef vorführen wollte (der aber ohnehin lieber mit Puppen spielt), gab das Kerlchen – das Spielzeug, meine ich - etwas von Pascals Rasiermesser und Ockhams Höhle und Platons Paradoxie und Zenons Gabel von sich. Von der Dialektik der Tabula rasa, dem Ding der Induktion, pragmatischem Existenzialismus.
Josef sah mich nur an und meinte, das wäre ein gar idiotisches Ding – und er wolle lieber mit den Puppen spielen, basta! Die sind hübsch und stumm und tragen schöne Kleidchen. Und reden vor allem nicht so ein dummes Zeug von wegen Ockhams Rasiermesser und Pascals Wette und Zenons Paradoxie und Platons Höhle und – ach, was-wußte-er! Lachhaft!
Ich kann Josef gut leiden. Er ist zwar nicht der klügste, aber man kann gut mit ihm auskommen (vielleicht gerade deswegen). Ich konnte ihm auch gar nicht widersprechen. Schließlich: Ich halte das Ding ja selbst für übergeschnappt. Ob’s nun funktioniert oder nicht. Der, der’s gemacht hat, muß ein komischer Kauz gewesen sein!


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