Schnipsel

Jose Saramago - Die Stadt der Blinden

Eine Besprechung von Dieter Löckener

Welch ein Buch des Literatur-Nobelpreisträgers von 1998, faszinierend und erschreckend von der ersten bis zur letzten Seite und fast kaum nachvollziehbar, wenn man zur großen Masse derer gehört, die das große Glück haben, unbehindert durchs Leben zu gehen.
Wie schnell sich sowas ändern kann und wie unfähig die Gesellschaft ist, angemessen auf unbequeme Probleme zu reagieren, wenn sie massenhaft auftreten kann hier mit garantierter Gänsehaut nachgelesen werden. Eindrucksvoll und äußerst realistisch schildert Saramago seine Stadt der Blinden unter dem Leitsatz "Welchen Sinn haben Tränen, wenn die ganze Welt ihren Sinn verloren hat ?"
Alles fängt relativ harmlos an, mit einer Erblindung, sozusagen mit dem ersten Blinden, den's in seinem Wagen erwischt. Der edle Helfer, der ihn heimbringt aber seinen Wagen klaut erwischt es als Nächsten, weitere Personen im Umfeld des ersten Blinden folgen, sein Augenarzt und dessen Patienten.
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Diese Gruppe ist es auch, die sich auf Weisung der Regierung ohne weitere Erklärungen in einer ausgemusterten Irrenanstalt wiederfindet. Eingesperrt und bewacht in Quarantäne, eher gehalten wie Tiere ist die Frau des Augenarztes die Einzige die sehen kann. Sie spielt die Blinde, um bei ihrem Mann bleiben zu können. Schon bald regiert das Chaos. Es gibt weder Strom noch Wasser, keine geordnete Lebensmittelversorgung, die Eingekerkerten baden förmlich in menschlichen Exkrementen.
Doch das ist nur der Anfang. Zunächst gibt es noch Massenaufläufe in den Prunkbauten der Banken, denn noch regiert Geld die blinde Welt. Schon bald aber reissen Hunderudel den herumliegenden Toten das Fleisch von den Knochen, die Reste gehören den Ratten.
Lassen's wir mal damit Gutsein, hier ist Selberlesen samt Nachdenken allererste Bürgerpflicht.

rororo
399 Seiten
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