Schnipsel

 

noch 'n paar aphorismen:

"Sticheleien"

von René Steininger

 

Die Rolle des verhinderten Künstlers in der Geschichte: Nero, Hitler, Mao.
Man versteht, warum die demokratische Gesellschaft ihre lieber auf Staatskosten durchbringt.

In den fortgeschrittenen Staaten wird die mangelnde Fertilität offenbar durch Infantilisierung wettgemacht.

Der freie Buchmarkt ist ein Dienst am Publikum zu Lasten der Kunst und die staatliche Literaturförderung eine Hilfeleistung für den Autor auf Kosten des Lesers.

Der Stil der meisten ist entweder blumig oder allzu nüchtern, anstatt, wie es besser wäre, frugal zu sein, also trocken mit einer Idee von Frucht.

Die ideale Muse: Knackig muss sie sein, und einen Knacks soll sie haben.

"Noch so ein Sieg und wir sind verloren." (Phyrrus) Ein Ausspruch, der dem Literaturhistoriker nie, dem Verleger dagegen leicht über die Lippen kommt.

Flachwurzler sind windwurfgefährdet, lese ich in einem Artikel über Fichten. Gilt für jeden, der nichts vertieft hat.

Klimawandel. Der Krieg Reich gegen Arm findet heute an der Warmfront statt.

Schriftsteller. Die einen geben sich selbst preis, die anderen erhalten die Preise.

Ich wundere mich über einen Freund, einem notorischen Künder der Apokalypse, der sich über die Geburt seines dritten Kindes freut. Nicht weniger inkonsequent freilich schreibe ich, das Ende der Literatur vor Augen, an meinem dritten Buch.

Ein Freudenhaus ist das Bordell schon deswegen, weil es Läärmschutzwände gegen die demographische Explosion errichtet.

Die Stunde des Molchs hat geschlagen, wenn das Vögeln allein nicht mehr beflügelt.

Mit ein wenig Abstand wird aus jedem Affentheater ein Flohzirkus.

Mein Fernseher, der Parasit: Er zieht Strom aus der Steckdose und aus mir die Energie.

Bei jedem dicken Buch die Frage: Ist das eine Schwangere oder ein dickbauchiger Leptosome?

Der Kleinbürger, der eine Reise unternimmt, bucht den Gurkenflieger in die Bahamas.

Ein Satz: eine Stichelei; zwei Sätze: ein Strickmuster.



Kurzvita:

René Steininger, geboren am 30. Mai 1970 Paris. Kindheit in Prag und Helsinki. 1988 französisches Baccalaureat in Kuwait. Danach ein Jahr in New York. Von 1989 bis 1997 Studium der Philosophie in Wien. Promotion im Frühjahr 1997 mit einer Arbeit über Nietzsche und die französische Postmoderne. In der Folge in rund einem Dutzend verschiedener Berufe, unter anderem als Sozialarbeiter, Verlagslektor und Übersetzer in Wien und Hamburg tätig. Zwischen 2000 und 2005 Lektor für deutsche Sprache und Literatur in Bukarest und Bratislava. Seit 2005 freiberuflicher Deutschlehrer und Jobcoach in Wien. 2008 erschien rinforzando, Gedichte & Geschichten, im Bucher Verlag, Hohenems.
    
steininger.jpg



Aphorismen Übersicht       Schnipsel-Hauptseite     Seitenanfang pfeil_rot

 



© media animati.gif 4ways