Schnipsel

Martin Suter - "Die dunkle Seite des Mondes"

Eine Besprechung von Dieter Löckener


Lange nicht mehr Pink Floyd's The "Dark Side Of The Moon gehört"?
Martin Suters neuer Roman jedenfalls läßt das Interesse an Time, Money, On The Run und Co schlagartig wieder aufleben. Was ist bloß los mit dem brillianten Wirtschaftsanwalt Urs Blank, er brennt Räucherstäbchen, Sandelholz und Tibetanische, dass zusammen mit Evelyne bewohnte Haus riecht plötzlich wie ein Aschram.
Auf dem Flohmarkt wird er gesehen, am Stand des Hippiemädchens Lucille beim gemeinsamen Verzehr von Lachs- und Kaviarbrötchen, das passt wohl kaum zum angestrebten Karriere machen und der damit verbundenen großkapitalistischen Kundschaft.
Doch das ist erst der Anfang, mit Intensivierung der Beziehung leidet zunächst Evelynes Menschenwürde, Urs zieht ins Luxushotel, als Wirtschaftsfusionsstar und Kanzleipartner kann er sich schließlich alles leisten. Bald wird der erste leckere Joint gedreht, denn Horizonterweiterung steht als nächstes auf der Hippietagesordnung.
Es folgen frisch zubereitete halluzinogene Pilze, serviert von Shiva, der "Reiseführerin", mit im Gericht ein kleiner Blauer, der Urs mächtig durcheinanderbringt, denn als der Trip recht übel endet, ist er ein anderer Mensch.
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Nichts Gutes lauert hinter den durch die Pilze geöffneten Türen, Blank massakriert eine freundliche Katze, schockt Vorgesetzte, Kunden und Mitarbeiter, selbst ein provozierter Autounfall mit Toten sorgt nicht für ein schlechtes Gewissen. Freund Dr. Wenger soll helfen und der schlägt eine Wiederholung des Trips unter seiner psychiatrischen Führung vor, doch leider fehlt der kleine Blaue.
Nun verschreibt sich Blank immer mehr dem Wald als echter Heimstatt, sucht Pilze insbesondere den Blauen als Ersatz für die Zivilisation, taucht voll ab, fragt sich nur, wie lange sowas, trotz vorgetäuschten Selbstmordes samt Abschiedsbrief heutzutage gutgehen kann.
Soviel sei verraten, Suter verzichtet dankenswerter Weise auf das übliche Happy End. Wer allerdings echte Tripmusik sucht, wende sich, wenn's schon die Band sein soll, vertrauensvoll den früheren Pink-Floyd-Werken der Sechziger mit Syd Barrett zu, The Dark Side Of The Moon ist dazu, trotz einiger unbestritten toller Effekte und des eindrucksvollen Titels, gänzlich ungeeignet.

Diogenes Verlag
315 Seiten
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