Schnipsel

"Andolina Stereo"
- Gedichte von Michael Zoch

Vorgestellt von Werner Friebel

Mag zwar die von den Spatzen der Literaturwelt strapaziertgepfiffene Erkenntnis, dass es heute mehr Dichter als Rezipienten von Gedichtetem gäbe, im Allgemeinen zutreffen und damit die Belanglosigkeit von ‘Creative Writing’-Befindlichkeiten oder der rhythmusgymnastischen Slam- und Pop-Poetry karikieren, so zeigt sich demgegenüber Michael Zochs intentionales Anliegen in der ursprünglichen Bedeutung des ‘Verdichtens’ von Wahrnehmungen und Gedanken zu assoziationsreichen Bewusstseinsfeldern. Kein Sammelsurium von eindimensional zersplitterten Sinneseindrücken, sondern sich gegenseitig bedingende ‘Soheits’-Erfahrungen sind es, aus denen Zochs subjektive Radikalität erwächst, weg von fremdbestimmter Moral und oberflächlichem Zeitgeist zu einer existenziellen Anarchie, deren individuelle Realisierung sich im Mut zum eigenen Ton und Tun offenbart.
Zoch schreibt aus den Treibhausbedingungen des Leidens an einer als lebensfeindlich empfundenen gesellschaftlichen Wirklichkeit, wobei er aber nicht in indifferenter Selbstbeschaulichkeit greint, sondern mit weltzugewandter Empathie die Passion aktiven Teilnehmens und Liebens besingt.

   

Mit fast magischer Verführungskraft ziehen seine originären Wortschöpfungen und die erfrischende, aber nie überstrapazierte Bildhaftigkeit den Leser in einen Tiefenraum dyonisicher Daseinslust, in dem der selbstironische Spötter und der rauschhafte Utopist mal feinsinnig, mal brachial die Denk- und Handlungsmöglichkeiten eigener Schöpfungskraft und Obsessionen ausloten; auch in erotisierten Stimmungen, die sich lasziv-elegant in Sehnsuchtsmotiven widerspiegeln ohne je pornographisch zu wirken.
Bei seinem Sprachreichtum hat Zoch es nicht nötig, amalgamierte Versatzstücke aus der Metaphernkiste ‘Schongehört’ rauszukramen oder Worte anzuheuern; sie entwachsen ihm, weil er ganz bei der Sache und bei sich selbst ist.
Dass er zudem über ein elaboriertes kulturelles Repertoire verfügt, blitzt in vielen seiner Texte auf und öffnet unerwartete Interpretationsräume, schafft Konnotationen und eine semantische Komplexität, die zum Immer-wieder-Lesen und weiterem Entdecken reizt.
Michael Zochs “Andolina Stereo” hat diesen kraftvoll-groovenden Ton mit bisher ungehörten Facetten in einem nuancenreichen HiFi-Sound, der wohl alle Kenner und Liebhaber zeitgemäßer Lyrik zu betören vermag.
wf


Was Wir Sind

zeichensprache allenthalben
rückgrat künstlich aufgeschäumt
leuchtraketen wissensbisse
eckzahn am lagunensaum
wir wie strandgut
windgefiedert
wildbrett jeder
wort für wort
sperrgebiete tintenfässer
aufgefüllt mit zeugungswut
binsenweisheit steroide
anabol ins hier gespritzt
warzenschweine segeltücher
zwei in eins durch fünf geteilt
büffelkinder gischtgestalten
wasser tropft auf gänsehaut
trunkenbolde zungenfischer
leberflecken glatt geleckt
zwischenräume untermengen
zirkel du und ich dein kreis

Michael Zoch. Andolina Stereo.
Wiesenburg Verlag 2009
76 Seiten, gebunden, € 14,90
ISBN-Nr. 978-3-940756-23-7

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