Das Kind liegt mit
geschlossenen Augen im Bett. Ich bin wach, denkt das
Kind,
aber ich will die Augen noch nicht aufmachen. Im Bett ist es
schön warm. Das war nicht immer so. Manchmal ist das
Kind aufgewacht, weil das Bett kalt und naß war. Und weil
es ganz fürchterlich gestunken hat. Das Kind hat seinen
Bruder dafür gehaßt, daß es seinetwegen Angst vor
dem Aufwachen hatte.
Im warmen, trockenen Bett
hört das Kind
auch nicht mehr die Geräusche aus dem
anderen Zimmer. Das Kind weiß, daß der M.
mit der Mama wieder das Gleiche macht, wie der Hund vom Nachbarn
mit der Cindy. Der M. mag das Kind und seinen Bruder nicht.
Genausowenig, wie der M. die Cindy nicht mag. Sie gehen ihm auf die
Eier, sagt er und deshalb drischt der M. die Cindy und das
Kind abwechselnd gegen die Heizung. In der Schule muß
das Kind dann immer sagen, es ist mit dem Fahrrad
hingefallen.
Der Papa vom
Kind und seinem Bruder ist tot, Überdosis. Der M. ist
jetzt der Papa vom Kind und seinem Bruder. Die
kleinen Schwestern hat er noch nie gehaut, die sind auch die Kinder
vom M. Das Kind
versteht den Unterschied nicht.
Manchmal hat der M. auch die
Mama verdroschen. Wenn das Kind gerade nicht da war. Oder der
Hund. Das Kind
hätte so gern die Mama beschützt.
Vor dem M. Lieber einmal mehr gegen die Heizung, als die Mama. Aber
die Mama hat das Kind
und den Bruder ins Heim gegeben. Das war im
Sommer. Am Wochenende dürfen sie "heim". Dann
hört das Kind
den M. drüber reden, daß er den
gewählt hat, der den Kinderscheck versprochen hat. Zuerst hat
das Kind "Kinderschreck" verstanden. Dafür
hat´s eine weitere Watsch´n vom M. gegeben.
"Depperter Bua!" hat der M. zum Kind gesagt. Der M.
kennt sich schließlich aus, wenn´s ums Geld
geht.
Um die vier Kinderschecks
kann der M. neue Leguane und Schlangen für sein Terrarium
kaufen. Und einen neuen Hund. Den alten hat er irrtümlich
überfahren.
Das Kind will die Augen
noch immer nicht aufmachen. Sonst müßte es jetzt weinen.
Der Bruder macht noch immer ins Bett, aber jetzt hat das
Kind wenigstens ein eigenes. Das Kind nimmt sich vor, daß
es dem Tschuschen aus der 4C heute eine reinhaut. Ganz fest. Weil
der M. gesagt hat, er hat wegen denen keine Arbeit. Und hätte
der M. Arbeit, wäre er nicht den ganzen Tag daheim bei der
Mama. Dann hätte auch vielleicht die Mama mehr Zeit für
das Kind.
(Anmerkung: Kind 99 ist 11
Jahre alt und lebt in Österreich)
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