Deswegen warte ich hier auf dich, auf einer Parkbank sitzend, oder
ich gehe zwischen Ulmenschatten spazieren, ohne auf den
Bürgersteig zu schauen, achte nicht auf Passanten und Autos,
übersehe unattraktive, krebsfarbene Beine und Strohhüte
von Tagestouristinnen, die auf den Bus warten, der sie zum
Brombachsee karrt. Eine bröckelige Steinmauer dient mir als
Lehne, das Sonnenlicht rinnt schnapsähnlich über meine
Haut, und sobald ich beginne, an deine Wangenknochen, die Art
deiner Bewegungen, deinen Mund, die Melodie deiner Stimme zu
denken, verwechselt mich ein Hund mit diesem Baumstamm, dem ich mit
der wachsenden Zahl meiner Jahre immer ähnlicher werde, einem
Ulmenstamm, einem Kastanienstamm, ein Bündel melancholischer
Äste mit Fingerzweigen im Herbstwind, aus dessen Hosentaschen
winzige Blätter wuchern, die alt genug sind, um mit den
Erinnerungen zu verschmelzen, dessen unbekannte Grenzen
mitternächtliche Begegnungen und gestohlene Küsse
sind.
Deswegen warte ich hier auf dich, während mich ein
Altfrauengesicht von einem Balkon herab wie aus einem
Ölgemälde heraus inspiziert und viel zu wirklich ist, um
ein so verwirrtes Gesicht wie meines auszutauschen; während
sie nach ihrem Hund ruft, sende ich dir ein Zigarettenstrahlen mit
der Hoffnung, gefunden und geborgen zu werden aus dieser
Nachmittagsfinsternis heraus, die mich wie eine geliehene Hose
einengt, ich warte fiebrig auf dich, ohne krank zu sein, lasse mich
von einem Herbstwind zerzausen, den ich nicht spüre, der Hund
wendet sich enttäuscht von mir ab, wie sich alles
enttäuscht von mir abwendet, ich warte so fiebrig auf dich,
wie nur ein Verliebter zur Gespensterstunde, ein Herbststrauß
Gladiolen in der Hand auf seine viel zu schöne Liebste warten
kann, die ihn vergessen hat und, die Nase an der Gardine, einen
nutzlosen Feierabend an sich vorüber hauchen lässt;
deswegen warte ich auf dich, Libelle, bis der Bus seinen Anker am
Haltestellenufer fallen lässt, auf der letzten Sitzbank sitzt
du, allein, dein Lächeln entdeckt mich, also gehe ich dir
entgegen, schüchterner als ein Schuljunge, mit welken Knien,
um mit dir die Eulen im Stadtpark zu beobachten, die sich keinen
Herzschlag lang um die Spaziergänger scheren und so still sind
wie meine Sehnsucht nach dir.
© Vincent Eugèn Noel
(Nürnberg, 2007)
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