Es war die Zeit der Ungarneinfälle nach Süddeutschland.
Das Leben der Menschen hier war von einem bäuerlichen Lebensrhythmus geprägt,
gesellschaftlich strukturiert durch die Hierarchie von Hochadel, Niederadel,
freiem Bauerntum und dem Gros der Knechte, Unfreien und Leibeigenen.
Und über allem die politische und soziale Macht der Kirche.
Diese Realitäten bilden den Rahmen für die fesselnde Geschichte der Freundschaft
zweier Frauen, die von deren Kindheit ab erzählt wird. Als Ich-Erzählerin legt
eine der beiden, Afra, nach über 1000 Jahren, sozusagen aus dem Off der (Un-)Toten,
eine Biographie ihres gemeinsamen Lebens vor, das gleichzeitig ein Schuldgeständnis ist.
Geschickte Perspektivenwechsel zur Betrachtungsweise eines Chronisten objektivieren
das "Es
könnte so gewesen sein".
Dabei bedient sich die Autorin nicht eines einfach zu durchschauenden
Plots, sondern verwebt mannigfaltige Handlungsstränge und menschliche
Beziehungsgeflechte von Liebe und Leid, Eifersucht, Neid, Geburt und Tod.
Mit reichlicher Liebe zum Detail schmückt sie das Alltagsleben der Menschen aus,
etwas "überaquarellisiert" tauchen die Landschaftsbilder ins Leserauge
- doch gerade darin liegt die überzeugende Eindringlichkeit, wenns ums
"Eingemachte" der Gefühle geht.
Etwa bei der Schilderung eines grausamen Ungarn-Überfalls auf "Pitengouua", beim Leiden und Sterben der Frauen im Kindbett, der seelischen Qual einer Abtreibung, aber auch bei der unkitschigen Annäherung an Momente des Glücks.
Ein zentrales Thema des Romans ist die Unterdrückung der Frauen in
dieser Zeit, als das Verheiraten Kalkül einer Blut-und-Boden-Politik der von
Männern dominierten Sippen war.
Während Afra in dieser scheinbaren Unausweichlichkeit eine passable
Zufriedenheit findet, begehrt ihre Freundin Richlinth dagegen auf, sieht sie doch in dem
Vorbild der "emanzipierten", weisen, alleinlebenden und doch liebenden Seherin
und Heilerin Justinia einen möglichen Gegenentwurf.
Richlinth läßt sich nicht beugen in ihrem Wunsch, zu lieben
und geliebt zu werden.
Obwohl die Autorin am Ende mit der sich rasch zuspitzenden
Schlußdramaturgie und dem gefühlsbetonten Sprachduktus für meinen
Geschmack etwas heftig auf die Tränendrüsen drückt
(beabsichtigt natürlich), ist der Roman von Pilcher-Rührseligkeit weit entfernt.
Angela Dopfer-Werner richtet ihr Okular aus dem Blickwinkel einer Frau an der Innenwelt der Protagonistinnen aus (was ja für männliche Leser mitunter recht lehrreich sein kann), hat sich aber durch die Vielfalt dieser plastisch, plausibel und spannend erzählten Geschichte das verdächtige Etikett "Frauenroman" nicht aufkleben lassen.
© Werner Friebel
Herbig-Verlag
336 S.
Bestellmöglichkeit |