Schnipsel

Per Hubschrauber zu Sokrates

Werner Simon - “Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens”

Rezension von Werner Friebel

Wer Jugendliche oder "Quereinsteiger" für das scheinbar so altväterlich-trockene Thema 'Philosophie' begeistern will, sollte sich neben einer zeitgemäßen Sprache auch einen pfiffigen Aufhänger einfallen lassen. Jostein Gaarder hat es mit seinem Bestseller "Sophies Welt" vorgemacht, dass man 15-, 16-jährige im Ethikunterricht nicht "durchhegeln" muss, um sie auf den Geschmack der geistigen 'Haute Cuisine' zu bringen und damit Anfang der 1990er Jahre eine richtige 'Philomania' losgetreten.
Auch der promovierte Philosoph Werner Simon hat für sein 'Einsteigerbuch' einen fiktionalen Rahmen gewählt und es im Untertitel schon mal fingerzeigend als "postmodernes Märchen zur Geschichte der abendländischen Philosophie" ausgewiesen.
Im Vorwort stellt er denn auch klar, dass er keinen Anspruch auf akademische oder hochintellektuelle Ausdifferenzierung philosophischer Positionen hege, sondern im eher aufklärerischen Sinn zur möglichen Erheiterung philosophisch interessierter Laien beitragen wolle.
Na gut, dann wollen wir ihm auch den etwas unglücklich gewählten, in die Ratgeberecke weisenden Titel "Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens" verzeihen und die darin mitschwingende Ironie wohlwollend als Lektüreproviant einheimsen.

      philo auf der suche

Der Handlungsrahmen ist eine Zeitreise, die der Altphilologe "Philo" in einem computergesteuerten Zeit-Hubschrauber vom Jahr 2050 zurück zu den Anfängen der Philosophie im antiken Griechenland unternimmt, um sich von dort in Zeitsprüngen durch die Denktraditionen der Jahrhunderte wieder seinem postmodernen Ausgangspunkt zu nähern. Gemäß dem Auftrag seiner schwangeren Lebensgefährtin "Sophie" soll er dabei die jeweils bedeutendsten Denker mit der Frage nach dem 'Sinn des Lebens' konfrontieren, um mit deren Antworten dem erwarteten gemeinsamen Kind die bestmögliche Erziehung angedeihen zu lassen. So beginnt er seine insgesamt 20 Besuche bei Sokrates, Platon & Co. und hubschraubert sich ohne wesentliche Gefahr quer durch Europa und die Zeiten bis zu Nietzsche und Heidegger, immer bemüht, eine befriedigende Essenz aus dem Gehörten zu destillieren.
Die gibt's natürlich nicht, dafür aber findet er durch Verknüpfen und Gegenüberstellen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Denken der Geistesgrößen. Er stellt Entwicklungszusammenhänge her, ohne genealogisch haarklein zu sezieren, wobei man allerdings "Philos" Vermutungen über die Intentionalitäten der Denker nicht immer ganz ernst nehmen sollte.
Dabei entwickeln sich aber mitunter geistreiche Dialoge, in denen auch die schon länger am philosophischen Diskurs interessierten Leser manch frische Konnotation entdecken können.
Etwa in Anekdoten zu Platos 'Waldakademie', die "der Gottlosigkeit verdächtigt, erst endgültig geschlossen wurde, nachdem die finstere Zeit des Mittelalters mit seiner religiösen Vereinheitlichungstendenz über Europa hereingebrochen war, im selben Jahr 529 n. Chr., als der erste große Mönchsorden durch die Benediktiner gegründet wurde."
Oder zum 'Kategorischen Imperativ', dass nämlich "Kant anscheinend der erste Globalisierungsgegner war, der in ethischer Hinsicht gleiche Rechte und Pflichten für alle Menschen einforderte." Die Auswahl der interviewten Philosophen ist durchaus repräsentativ für die jeweiligen Denktraditionen, wenngleich man "Philo" gern eine weitere Zeitreise zum Besuch der hier 'Überflogenen' gönnen möchte, etwa der doch bis heute wirkmächtigen 'Stoa', des Mystikers Meister Eckhardt, Giordano Bruno, Marx und anderen Weltbewegern. Und dass er dem Ockham doch bitte sein "Rasiermesser" bringen möge ;-)

Das Buch will aber eben kein trockener, nur belehren wollender korrekter Abriss der abendländischen Geistesgeschichte sein, sondern interessierte 'Philosophie-Novizen' zur Auseinandersetzung mit bereits Gedachtem und dem eigenen Denken verführen. So lässt es sich der Autor auch nicht nehmen, seine Abneigungen und Sympathien für bestimmte Weltinterpretationen deutlich zu machen. Dabei kriegt nicht nur die Institution Kirche 'ihr Fett weg', sondern am Ende auch die lebens- und kulturfeindlichen Entwicklungen der zeitgenössischen Postmoderne.
Mit einem kleinen Wink zu einer möglichen positiven Lösung der individuellen 'Sinnfrage' gibts für "Philo" & "Sophie" am Ende doch noch ein Happy End - zwar haarscharf am Kitschrand entlanggeschrammt, aber kein echter Faux Pas in diesem unterhaltsamen und doch in seinem Grundanliegen anspruchsvollen Jugendbuch.


Werner Simon: “Philo auf der Suche nach dem Sinn des Lebens”
Novum Verlag, TB 224 Seiten

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© Werner Friebel 2008
(für "Philosophische Schnipsel")


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