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Schnipsel

Tag ohne Worte

Heute war ein Tag ohne Worte. Und ich fror. Es war voll. Und ich verachtete mit leeren Augen das Sehen. Verachtete das Leben, das was war und das was hätte sein können, verachtete meine Gedanken, ebenso wie ich mich verachtet hätte, hätte ich sie nicht gedacht!

Die Welt war grau, ist grau und während mich die Zeit zu Eile zu treiben schien, war ich ruhig, war so zeitlos, wie ein toter Fisch und wünschte mir, dass sich inmitten all dieser "Toten-Menschen" die Erde, die vom Asphalt erdrückt wurde, auftun würde und ich in bodenlose Tiefen stürzen könnte, bis auf den Grund des nicht-vorhanden-seins stürzen würde, doch die Erde tat sich nicht auf und ich musste weiter das Spiel der Eile spielen, dessen Regeln ich nicht kenne!

Irgend eine Art von Panik, sei es Panik vor mir, der Masse, des eigentlichen Alleineseins ließ mich wissen, was Zeit, Enge und totsein heißt. Denn während ich in Gesichter ohne Leben, ohne Gedanken blickte, war ich tot, ebenso wie sie, und doch anders tot, vielleicht toter, ja, ich war toter als der tote Fisch, toter als die Toten-Menschen, ich war toter als tot und wünschte mir, diesen ewig scheinenden Film auszuschalten oder anzuhalten, mich genau in diesem Moment auf Band festhalten zu können, wo mich der Tod überkam und mich mitnahm, doch ich lief weiter, weiter in den Tod, in die Zeit, in das Spiel der Eile.

Doch in diesem Toten-Marsch erblickte ich ein Gesicht, es lebte, blickte hinauf, dort wo die Sterne hätten sein müssen, wenn Nacht uns begleitet hätte, dieses Gesicht war NICHT TOT und es blickte mich an, nur einen Moment und der Film hielt an, ließ das Gesicht und Mich uns einander einen Augenblick betrachten, bis ich weiterlaufen musste, das Band weiter lief, das Gesicht war weg und ich war weg für das Gesicht.

Nun bin ich zu Hause und sehe mir den Film noch einmal genau an, sehe das Gesicht, das ein bisschen verzerrt von dem stehengebliebenen Bild, mich ansieht, immer und immer wieder.

Und es ist wieder Hoffnung da, Hoffnung ist gegenwärtig, nur man kann sie nicht sehen, doch wie du weißt, ist es ja das Geheimnis, dass man das Beruhigende, das Warme, das Glücklichsein nicht sieht, also, wofür MÜSSEN wir uns dann überhaupt diese Welt "Ansehen", wenn man all das nicht sehen kann?

 

Deine Tote

(am 18.3.2000 von Laura Rumich)


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