Sein Traum

Seine Augen schlossen sich im schwarzen Dämmerlicht und sein nach Liebe duftender Körper versank in den Tiefen des Schlafes, in den Tiefen der grausamen Welt der Träume:

 

Da lag er inmitten seines Traumes und schlief einen scheinbar ewigen Schlaf, dicht neben ihm ein Mädchen, sein Mädchen, dessen Atem stoßweise wie Sindfluten aus Sternen seine nackte Brust streiften. Sie schliefen so traumlos und still in diesem ach so schwarzen Raum, welcher, trotz dass er weiß, engelsgleich gestrichen war, wohl der Raum des Todes, die Stätte des „friedlichen Mordens" war.

Der Mond, welcher gebrochen von Zeit und Trauer sein silbrig glitzerndes Licht auf das funkelnde verchromte Himmelbett warf, malte ihm und seinem Mädchen matt silberne Schatten auf die schlafenden Körper, zierte ihre traumlosen Züge mit flüchtigem Weiß, welches ihre weichen Konturen in all seinem Licht ertrinken ließ. Sein Licht flutete durch den Raum, brach sich an der geschliffenen Glastür, die sein Funkeln in abertausend Farben zurückwarf.

Inmitten dieses gleißenden Glitzerns funkten zwei Augen auf; ihr Blick zerbrach das Herz der Dunkelheit, sollte nun auch in jenem schicksalhaften Moment all das zerbrechen, was hätte sein können.

Langsam öffnete er seine von Schlaf blinden Augen. Und die im Blut scheinbar ertrinkende Wirklichkeit ließ sein Herz krachend splittern.

Da lag sein Mädchen, sein geliebtes Juden-Mädchen mit im Tode schreckensweiten Augen, welche starr zur Decke, zu den weiß flatternden Tüchern des Himmelbettes gerichtet, in einem Meer aus blutgetunkten Seidenlaken gebettet lag. Ihr Leib geschlitzt, ihr einmal schöner Bauch aufgerissen. An ihren ach so weichen Beinen blutige Fingerspuren, die Sünden harten Griffes. Ihre noch am Abend roten Lippen weit geöffnet, als habe sie schreien wollen. Ihre in Angst verzerrten Züge weiß, ihr Antlitz im Tode für immer erstarrt. Sie würde wohl nun nie wieder für ihn lächeln!

Die engelsweißen Wände mit ihrem Blut beschmiert; sein Herz wurde schwer.

„Deutschland den Deutschen!"

Er schloss seine randvoll mit Tränen gepeinigten Augen und seinen von Schmerz trockenen Lippen entglitt ein gellender Schrei, welcher ihn aus seinem im Blut ertrinkenden Traum erwachen ließ.

 

Da lag er. Schweißgebadet in der von Morgendämmerung kühlen Wirklichkeit. Er öffnete seine vor Schmerz zusammen gekniffenen Augen, spürte die warme Haut seines geliebten Mädchens, welches langsam in die ihre Welt, zurück zu ihm und dem Dämmerlicht kehrte. Er beugte sich über ihren schlaftrunkenen Körper und sah still mit an, wie sie mit kindlich geballten Fäusten sich den Schlaf und seine wilden Träume hinfort rieb.

Oh wie er sie liebte, wie friedlich doch dieser Morgen war. Sie schlug ihre Augen auf und die Sintfluten aus Silber-Licht seines Traumes ergossen sich über sein erschöpftes Lächeln.

Ihre klammen Hände zogen ihn zu sich hinab in die Tiefen ihres Erwachens und ihre rauen Lippen pressten sich auf seine zuvor schreienden.

 

(Laura Rumich im Juli zum Traum ihres Freundes)


Zum Tagebuch-Inhalt