Schnipsel

Interview mit dem Autor Michael Eichhammer


Das Romandebut des Münchner Autors "Toreros sind so" stößt auf beachtliches Medieninteresse.
Die Redaktion des Kulturmagazins "Melodie & Rhythmus" führte mit Michael Eichhammer ein Interview über dessen Lebensphilosophie, das Bücherschreiben und das Erwachsenwerden.
Freundlicherweise haben es die Kollegen auch den "Schnipseln" zur Verfügung gestellt.

Michael Eichhammer

M&R: Auch wenn "Toreros sind so" dein erster Roman ist, arbeitest Du seit Jahren auch als Journalist, etwa für den Playboy, oder auch als Sachbuchautor. War es ein weiter Weg zum ersten Roman?

Einen Roman zu veröffentlichen, war ein Kindheitstraum, der wahr wurde - weniger pathetisch kann ich das nicht formulieren. Ich kann mich noch erinnern, dass ich als kleines Kind meine erste Geschichte geschrieben habe: Über einen kleinen Braunbärjungen, der als Postbote im Wald gearbeitet hat, um sich das Geld für einen Amerikaurlaub zu verdienen. Seitdem wollte ich Schriftsteller werden. Dann kamen allerdings so viele Rückschläge, dass ich die Idee für ne ganze Weile auf Eis gelegt habe: von vernichtender Kritik bei einer Open Mic-Lesung bis zu unzähligen Absagen von Verlagen. Dann las ich auch noch irgendwo, dass es in ganz Deutschland nur eine Handvoll Autoren gibt, die davon leben können. Trotzdem wollte ich mit dem Schreiben Geld verdienen - da lag Journalist als Beruf nahe. Letztendlich gab es doch ein Happy End: Die Jahre als Redakteur und Ressortleiter bei Lifestylemagazinen waren eine Quelle der Inspiration für "Toreros sind so".

 

M&R: Angenommen du sitzt in einem Taxi und der Fahrer erfährt, dass du einen Roman veröffentlicht hast. Was erklärst du ihm, worum es geht?

Um das, um was es immer geht: die Suche nach dem Glück. Wobei die Antwort natürlich für jeden eine andere ist. Der Romanheld - oder sollte ich besser sagen: Antihelden? - hat eine lange Reise vor sich, bevor er seine persönlichen Antworten findet. Was es ihm besonders schwer macht, ist, dass er keine Ahnung hat, wie Glück funktioniert. Und dass er sich eine Deadline gesetzt hat: glücklich werden bis zum nächsten Geburtstag. So viel verrate ich: Glück hat für ihn mit zwei Dingen zu tun: der Liebe. Und der Liebe zu Musik. Vielleicht sogar mit der perfekten Mischung aus beidem.

 

M&R: Auch Martin, der Protagonist deines Romans, ist Journalist. Inwiefern ist dein Roman autobiografisch?

Ich sag mal so: Mir wurde prophezeit, dass ich keine Freunde mehr haben werde, wenn der Roman rauskommt. Insofern bin ich froh, dass niemand außer mir so genau weiß, was Fiktion und Wirklichkeit ist. Das Schöne daran: Manchmal ist die Wirklichkeit unglaubwürdiger als die wildesten Fantasien. Insofern glaubt vermutlich sowieso niemand bei den authentischen Stellen, dass sie wahr sind.

 

M&R: Wann und wie kam dir die Idee von Martins Geschichte?

Hm, die Antwort hat ein wenig mit der zuvor gestellten Frage zu tun. Um ehrlich zu sein: als meine Freundin mich verlassen hatte und ich meinen Job bei einem renommierten Lifestyle-Magazin verlor. Was - zufälligerweise! - genau der Ausgangsposition von Martin entspricht.

 

M&R: Mal ganz abgesehen davon, dass du sehr amüsant Beziehungskisten erzählst, es geht auch um Absurditäten des Journalistenalltags. Eine Therapie für den Journalisten Eichhammer?

Ertappt! Bei so manchen realen Personen, die mir in meiner journalistischen Laufbahn über den Weg liefen, dachte ich mir: "Der ist so schräg, den sollte man eigentlich zu einer Romanfigur machen." Und was den Therapie-Aspekt angeht: Ich wage die These, dass jeder Autor, der behauptet, dass sein Werk frei erfunden sei und nichts mit ihm zu tun hat, lügt.

 

M&R: Dein Roman ist sehr augenzwinkernd und humorvoll geschrieben, inwiefern beeinflussen dich Autoren wie Tommy Jaud oder Sven Regener?

Ich liebe die Verfilmung von "Herr Lehmann". Stilistisch allerdings ist mir Tommy Jaud näher. Ich habe den "Vollidiot" stückweise während Fahrten in überfüllten U-Bahnen gelesen und bei fast jedem Satz laut gelacht, ohne mich darum zu scheren, was die anderen Leute denken. Das ist ein 1A-Qualitätskriterium für ein Buch. Sowohl bei Jaud als auch bei Regener gefällt mir, dass sie trotz allem Witz das Leben und das Leben ihrer Protagonisten ernst nehmen. Das Tragikomische zieht auch mich an. Weil es meiner Lebensphilosophie entspricht: Das Leben ist nicht schwarz und nicht weiß, sondern eine Achterbahnfahrt zwischen den Extremen. Deshalb würde ich einen dritten Namen zu den beiden hinzufügen wollen: Nick Hornby.


M&R: Das Thema der 30-jährigen in der Literatur ist stark überstrapaziert. Hattest du einfach drauf losgeschrieben oder zuvor schon den Markt gescheckt?

Nein, der Markt war mir - mit Verlaub - scheißegal. Ich wollte über das schreiben, was mich bewegt. Und ich denke, dass es einen guten Grund gibt, warum die Zahl 30 eine magische in der Literatur ist: Weil sie es auch im echten Leben ist. 30 ist ein wichtiges Alter. Es ist eine Lüge, zu denken, wir werden mit 18 erwachsen. Wir werden mit 30 erwachsen. Wenn man Glück hat, sogar erst noch später. Mit 30 stehst du vor einer Weggabelung und weißt, es ist vielleicht deine letzte Chance, den richtigen Weg einzuschlagen. Die Zeit wird plötzlich viel kostbarer, weil man eine vage Ahnung davon bekommt, dass man möglicherweise doch nicht unsterblich ist. Und damit einher geht der Wunsch, die Zeit zu nutzen. Wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht, wird Geld in dem Maße unwichtiger, wie die Zeit kostbarer wird. 

 

M&R: Wie wird es mit Martin weitergehen? Kannst du dir vorstellen, über den 40-jährigen Martin zu schreiben?

Das würde ich wahnsinnig gern tun. Wenn man sich so lange mit einer Figur und seinen Freunden und Partnern beschäftigt, wachsen sie einem ans Herz wie echte Menschen - vor allem, wenn man sich so wie ich, zum Schreiben in die Abgeschiedenheit eines Bergdorfes in der Nähe von Innsbruck zurückzieht. Ich würde Martin, seine Freunde und seine Herzensdame wahnsinnig gern wieder treffen. Schon allein, um zu erfahren, ob das Happy End für immer hielt - so wie wir alle es uns wünschen.  

 

M&R: Schlussfrage: Was wird dein nächster Roman?

Der ist schon geschrieben und erscheint im Herbst 2008, wieder bei Piper. Wieder mal geht es um die Liebe zur Musik. Eine Mischung aus "Blues Brothers" und "Bremer Stadtmusikanten", würd ich sagen. Kurz gesagt geht es um die Suche nach dem Glück - wie bei "Toreros sind so". Wie bei jedem anderen Buch auch. Und jedem anderen Leben.


     

HP von Michael Eichhammer      Interview-Übersicht      Schnipsel-Hauptseite      Seitenanfang pfeil_rot

media animati.gif 4ways